Sonne, Bier, Hirn aus: Nervige Backpacker in Thailand

Grand Palace Bangkok

Thailand ist ein wunderschönes Land, aber das Problem sind – wie so oft – die Leute, die dort rumlaufen. Wie groß das Ausmaß des Elends aber wirklich sein würde, davon hatte ich mir ja keinen Begriff gemacht. Allerdings wurde im Land auch sehr schnell deutlich, wie ignorant Menschen sein können, die einen Reisestil für sich gewählt haben, der individuell und bewusst nicht sehr gesellschaftskonform ist, um sich von der Ignoranz des Mainstreams abzugrenzen. Die Ironie scheint dabei leider keinem aufzufallen.

 

Must-Do’s der No-Go’s

Themen sind dabei sicher immer Elefanten reiten, Sex-Shows besuchen oder sich für umgerechnet 7 Euro ein Tattoo stechen zu lassen, ohne darüber vorher großartig nachgedacht zu haben. Im Kleinen sind es dann wahrscheinlich Haremshosen mit Elefantenprint und Bintang-Trägershirts. Klar kann jeder reisen und tun oder lassen, was und wie er oder sie möchte. Keine Frage. Aber in Thailand kommt man, wenn man mit zumindest halboffenen Augen durch die Welt läuft, leider nicht umhin, zu bemerken, dass es vielen Reisenden und Backpackern dort nicht vornehmlich darum geht, durch den Kontakt mit einer Kultur etwas zu lernen und seinen Horizont zu erweitern.

 

Floating Market

Floating Market

Denn in Thailand fällt es schwer, sich abseits der wirklich sehr ausgetretenen Pfade zu bewegen und dem auszuweichen, was dort (zumindest in den vielen Touristen Hotspots) scheinbar obligatorisch ist.

 

Möglicherweise hat es ja auch mit dem Alter und der Lebenserfahrung zu tun, dass eine starke Persönlichkeit und individuelle Interessen bei zahlreichen Backpackern in Thailand noch nicht sehr ausgeprägt sind. Wäre das der Grund, gäbe es sogar noch Hoffnung, denn dann verwächst sich das hoffentlich mit den Jahren.

 

Elefanten, Schlangen, Tiger: Wenn der eigene Verstand leider nur bis zum Selfie reicht

Es ist klein, es ist flauschig, ich will es. Dabei ist es dann egal, ob es sich um ein Tigerjunges oder ein kleines Lori handelt, denn die intellektuelle Kapazität reicht ohnehin nur bis zu der Tatsache, dass man für das Selfie mit dem Tierchen viele Likes bei Facebook bekommen wird. Die Überlegung, dass die arme Kreatur nur stillhält, weil sie durch eine Überdosis Beruhigungsmittel ruhiggestellt wurde, bleibt aus. Was kritische Gedanken generell angeht, läuft da im Schädel offenbar eh leider nur Grundrauschen.

 

Ayutthaya

Ayutthaya

Da wird der Mann mit dem Metallstock in der Touristenhochburg Ayutthaya, der neben dem Elefantenbaby steht und sich dort sicher nicht aus Langeweile aufhält, ebenso ignoriert wie die Tatsache, dass die Tiere nicht brav das Bein heben würden, wenn sie es nicht mittels Konditionierung durch Schmerz und Nahrungsentzug antrainiert bekommen hätten.

 

Man sollte ja eigentlich meinen, dass bei dem Besucher solcher Einrichtungen (ein besseres Wort fällt mir nicht ein) wie dem Wat Pa Luangta Maha Bua Tiger Tempel, wo man ein Vermögen zahlt, um ein paar Minuten mit jungen und ausgewachsenen Tigern zu kuscheln, eventuell in den Körperregionen oberhalb der Schulter auch eine rote Lampe aufgeht und sich das Gewissen möglicherweise fragt, ob das hier wirklich etwas ist, was man mit seinem Geld unterstützen sollte. Aber Fehlanzeige…

 

Train Market

Train Market

Wie oft habe ich den Impuls unterdrücken müssen, Tourist(innen) zu schütteln, um ihnen begreiflich zu machen, dass sich die unbequeme Realität ihnen ja quasi aktiv ins Gesicht wirft, weil sie gesehen werden will, besagte Reisende aber trotzdem durch ihren mittlerweile schon ins Hirn integrierten Instagram-Filter nichts sehen außer Sonne und Strand.

 

Ich bin sicher, hätte ich genau das gemacht, also die besagten Personen einfach einmal damit konfrontiert, was sie da gerade unterstützen, hätten mich paarweise ganz große Bambi-Augen angesehen, gerne auch gepaart mit der Aussage „Oh, da habe ich ja gar nicht drüber nachgedacht“. Jap, war eindeutig.

 

Wie Sanctuary und Co. zur Tierquälerei wird

Heiße Quellen Pai

Heiße Quellen Pai

Vorsicht auch bei so genannten Elefanten-Reservaten. Denn mittlerweile haben natürlich auch lokale Betreiber in Thailand gemerkt, dass (zum Glück) viele Touristen das Geschäft mit Tieren im Allgemeinen und mit Elefanten im Speziellen boykottieren. Aus diesem Grund wird nun die Strategie gefahren, Labels wie Naturschutz, Reservat oder Sanctuary zu verwenden, um Touristen in dem Glauben zu lassen, sie gäben ihr Eintrittsgeld für eine gute Sache.

 

Oftmals passiert dann aber im Hintergrund, wo niemand hinschaut, trotzdem noch, was diese Touristen sicher nicht gutheißen würden. Aus diesem Grund habe ich für mich entschieden, gar kein Geschäft mit Tieren zu unterstützen, um genau das auszuschließen. Denn mein Verständnis von Natur und Tieren ist, dass beides weder zur meinen persönlichen Verfügung noch zu meiner Unterhaltung da ist. Und vielleicht mag sich der eine oder andere auch einmal überlegen, ob es nicht für einen Elefanten eventuell trotzdem Stress bedeutet, wenn er  beim „Badespaß“ von 10 Menschen mit Plastikeimern zwar nicht geritten, dafür aber umzingelt wird.

 

Ping-Pong-Shows für Touristen in Thailand

Bis heute kann ich es immer noch nicht glauben, dass ich tatsächlich mit einer Westeuropäerin Mitte 20 diskutieren musste, warum ich mich denn so schwierig anstellen würde, anstatt einfach mit in eine der zahlreichen Sex-Shows in Bangkok zu gehen. Hatte ich doch eigentlich gedacht, das Schlagwort „Prostitution“ würde an und für sich alles erklären, aber musste feststellen, dass dies offenbar der Fall nicht war, denn am nächsten Morgen wurde mir erklärt, dass die Frauen ja eigentlich durchaus so ausgesehen hätten, als hätten sie Spaß an ihrem Beruf.

 

Ich glaube, das war wieder so ein Moment, wo ein weiteres Stück meines Glaubens an die Menschheit sich verabschiedet hat. Noch kann ich ja mit einer Menge Galgenhumor darüber lachen (weil Weinen leider auch nichts ändert), aber im nächsten Schritt bleibt mir dann wahrscheinlich bald nur noch Todschlag.

 

Boah, geil…fünf Bier zum Preis von einem

Ko Phi Phi

Ko Phi Phi

Offenbar habe ich damals das Memo nicht bekommen, das an jeden rausging, der gerade Abi gemacht hat, mit dem Inhalt, dass jetzt unweigerlich Thailand bereist werden müsse. Der Anspruch an sich selbst, eventuelle Bildungserwartungen oder die Fähigkeit zur kritischen Reflexion standen aber ganz eindeutig nicht auf der Gepäckliste.

 

Stattdessen wird auf einigen (teilweise wirklich verwahrlosten Inseln) lieber der Tag verpennt, damit man bloß nicht mit der lokalen Kultur in Kontakt kommt, um sich dann bei Sonnenuntergang auf die Suche nach dem nächsten Getränk zu machen, das man aus Plastikeimern konsumieren kann. Wenn das die einzige Anforderung ist, dann erschließt sich mir leider nicht, warum man sich 10 Stunden auf einen Flug nach Asien begeben muss, wenn der Ballermann nur 3 Stunden entfernt ist.

 

Spätestens als ein Typ auf Koh Phi Phi vom Strand kommend es gerade noch so schaffte, auf der Straße den Strahl des Erbrochenen zumindest einen halben Meter an mir vorbei zu dirigieren, war mir klar, dass ich dort nicht hingehöre. Aber ich erwarte von einer Reise in der Regel auch mehr als einen Sonnenbrand dritten Grades und einen Leberschaden.

 

Muay Thai in Chiang Mai: Wenn Kinder für Touristen kämpfen

Muay Thai ist einer der härtesten Kampfsportarten der Welt und auch, wenn ich selber keine Erfahrung mit diesem speziellen Kampfsport habe, so weiß ich durchaus von jahrelangem Training anderer Kampfsportarten, dass solche Trainings selbst erwachsene Personen durchaus an die körperlichen Grenzen bringen können. Das gilt für Erwachsene. Und dann gibt es in Chiang Mai auch noch Kämpfe, die von Kindern durchgeführt werden. Weil es Touristen bespaßt…

 

Chiang Mai

Chiang Mai

Da prügeln dann Kinder im Alter von 10 oder 12 Jahren im Ring aufeinander ein und selbst wenn die Hälfte davon gestellt ist, gehen damit immer noch körperliche Belastungen und Verletzungen einher. Aber was soll’s, am Ende gibt es ja Applaus und vielleicht noch ein bisschen Extra-Geld, weil das nächste Touristenpärchen ein Foto mit den Jungs machen konnte.Das ist tatsächlich eine der Situationen, wo mir außer Kopfschütteln leider nicht mehr viel Intelligentes einfällt.

 

Tattoos, Kochkurs, Thai-Message: Individualität sucht man vergeblich

Ob Tattoos jetzt dem persönlichen Geschmack entsprechen, ist sicher immer noch eine Frage der Privatmeinung, aber ich dachte ja eigentlich immer, Tattoos seien dazu da, um die eigene Individualität in künstlerischer Form auszudrücken. Allerdings stellt sich mir dann die Frage, wie das mit der Individualität noch handhabbar ist, wenn sich nach einer Full Moon Party die 20. junge Frau das Thai-Wort für „Leben“, „Liebe“ oder Gott weiß was auf die Innenseite ihres Handgelenks stechen lässt. Gerne auch mit der traditionellen Bambusstabmethode, damit man dann zu Hause was erzählen kann. Sofern man sich am nächsten Morgen dran erinnert.

 

Und jetzt das Gute: Thailand gibt es auch noch ohne Massentourismus

Khao Sok Felsen

Khao Sok Felsen

Bevor das hier jemand falsch versteht, das hier ist keine Hasspredigt meinerseits gegen Thailand. Thailand ist ein Traum, wenn man es tatsächlich sehen könnte. Denn es wird völlig überrannt von einer sehr anstrengenden Sorte Mensch. Aber zum Glück ist es nicht unmöglich. Denn wer nicht gerade im Nachtzug nach Chiang Mai unterwegs ist oder für die Rundreise nach Ayutthaya Sticker auf das T-Shirt geklebt bekommt, damit er nicht verloren geht, kann wunderschöne Gegenden Thailands erleben.

 

Meine Tipps dafür: Sokuthai, der Khao Sok Nationalpark und mein absolutes Highlight die Insel Koh Bulon. Wer Partys, Thai-Massage am Strand oder Tattoo-Studios sucht, fährt bitte direkt weiter. Dann habe ich dort nämlich weiterhin meine Ruhe. Stattdessen gibt es Bambus-Hütten ohne Komfort, aber dafür direkt am Meer, blaues Wasser, riesige Echsen, Kinder, die im Wasser spielen, eine Reggae-Bar, deren Besitzer auf Wunsch seine ganze Lebensgeschichte erzählt und ein Boot, was nur ein einziges Mal am Tag kurz dort anhält.

 

Schlicht, ein Paradies. Und zum Glück von der Horde der Backpacker-Deppen noch völlig unentdeckt.