Ein verrückter Segeltrip in Kolumbien

Kolumbien Segeln

Ein Katamaran, 8 Personen, keine Toilette, kein Motor

Ich bin Lasse, nachdem ich mein sicheres Umfeld gegen das Abenteuer und mein bequemes Bett gegen eine Hängematte getauscht habe, schien auch die nächste Etappe meiner zweijährigen Reise durch Mittel – und Südamerika nicht mehr besonders ungewöhnlich.

 

Doch was mich auf dem Katamaran in Kolumbien erwartete, war alles andere als gewöhnlich. Über eine Facebookgruppe fand ich eine Mitfahrgelegenheit nach Panama. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich gerade in Medellín, aber ich wollte unbedingt ein wenig Segelerfahrung sammeln. Mein Plan war es nämlich, am Ende meiner Reise, mit einem Segelschiff zurück nach Europa zu segeln. Und schließlich wollte ich nicht las totaler Anfänger fragen, ob mich vielleicht jemand mit ans Ende der Welt nehmen würde. Ich wollte ja auch nützlich an Bord sein.

 

Als ich eine Zusage vom Kapitän des Katamarans bekam, packte ich meinen Rucksack, und machte mich auf den Weg nach Cartagena, einer Stadt an der nördlichen Karibikküste. Die Hitze, die sich förmlich in der Stadt staute, erschlug mich, aber ich freute mich riesig, endlich wieder am Meer zu sein.

 

Die Masten der Segelschiffe tanzten in der Bucht und ich suchte nach einem Spanier, der mich abholen sollte. Er hatte sich auch über Facebook beim Kapitän gemeldet, und würde auch mit nach Panama kommen. Das Wasser im Hafenbecken erinnerte zwar nicht im Geringsten an die Karibik. Doch bald würde ich ein Dach über dem Kopf haben, das war erstmal das Wichtigste!

Mein neues Zuhause

Als der Spanier und ich den Katamaran mit dem Kajak erreichten, wurde mir klar, dass das kein Luxusurlaub werden würde. Ich warf meinen Rucksack auf die feuchte Matratze meiner Schlafkoje und staunte. Es roch irgendwie ganz schön feucht. Der Holzboden hatte zahlreiche Wasserflecken und überhaupt sah es hier aus, als könnte das Ding eine komplette Sanierung gebrauchen. Zu zweit hatte man hier auf dem Schiff echt eine Menge Platz, aber der Spanier versicherte mir, dass das nicht so bleiben würde – da würden noch mehr kommen.

 

Insgesamt gab es vier Betten, die wir und letztendlich mit acht Leuten teilen müssten. Ich würde mir das Bett mit dem Spanier teilen, die anderen würden sich dann um die restlichen Betten schlagen müssen. Ich schaute mich um und fand nur drei weitere Schlafkabinen, aber nirgendwo gab es eine Toilette. „Achso, hier gibt es keine Toilette, falls du dich gewundert hast“, klärte mich der Spanier auf. Außerdem gab es keinen Antriebsmotor.

 

Zu meiner Überraschung gab es eine voll funktionstüchtige Küche mit Gasherd. „Stell hier am besten immer eine Schüssel hin“, sagte der Spanier, und deutete auf das Kochfeld. „Hier regnet es nämlich überall herein, die anderen Schüsseln habe ich schon verteilt“, sagte er noch.

 

Der Spanier beschloss, noch ein paar Tage an Land zu verbringen, bevor es auf die Segelreise gehen würde. In der Zeit hatte ich die Ehre, auf den Katamaran aufzupassen und die übrigen Crewmitglieder zu empfangen, wie es der Spanier mit mir getan hatte.

 

Als ein französisches Pärchen im Hafen eintrudelte, stimmte ich mich mit den beiden ab, ob sie nicht für zwei Tage allein auf das Schiff aufpassen würden, denn ich wollte nochmal mit dem Kajak die Gegend erkunden. Und so packte ich meine wichtigsten Sachen in einen wasserdichten Beutel und machte mich auf den Weg.

Eine kleine Expedition und bedingungslose Gastfreundschaft

An dem Morgen brach ich ziemlich früh auf und es war noch dunkel, sodass ich Angst hatte, von den großen Containerschiffen übersehen zu werden, die sich durch die große Fahrrinne schoben. Natürlich hatte ich auch keine Ahnung, welche Regeln hier herrschten, oder ob man hier überhaupt mit einem kleinen Kajak unterwegs sein durfte.

 

Mein Ziel war eine nahegelegene Insel, die ich nach etwa drei Paddelstunden erreichte. Je näher ich der Insel kam, desto türkiser wurde das Wasser. Es war einfach herrlich und ich konnte es kaum erwarten, mich hineinzustürzen.

 

„Hier bleibe ich“, dachte ich mir, denn einen traumhafteren Strand hätte ich sicherlich nicht finden können. Die Wellen glitten sanft im weißen Sand aus und schwappten über meine Füße.

 

Ich hatte gerade das Kajak an Land gezogen, als ich zwei Palmen entdeckte, die mir perfekt erschienen, um meine Hängematte aufzuhängen. Doch zuerst wollte ich die Gegend erkunden. Ich lief durch den heißen Sand und fand eine Art Finca, die an den Strand grenzte. Da ich mir nicht sicher war, ob der Strandabschnitt dazugehörte, fragte ich den Besitzer, ob ich mit meiner Hängematte für eine Nacht zwischen den Palmen schlafen könnte. Er hatte zwar nichts dagegen, riet mir jedoch stark davon ab, weil es über die Nacht stark regnen würde. Kurz darauf lud er mich zu sich ein und bot mir einen Schlafplatz in seinem Haus an.

 

Ich wollte mich wirklich nicht so sehr aufdrängen und fragte, ob er nicht auch etwas überdachtes im Freien hätte, wo ich meine Hängematte aufhängen könnte. Er führte mich daraufhin zu einem Pavillon mit direktem Blick aufs Meer. „Hier kannst du gerne übernachten, wenn es dir nicht zu kalt ist“, schlug er vor.

 

Kalt war die Nacht nun wirklich nicht, nur ein wenig windig. Auch die nächste Nacht blieb ich hier, weil die Besitzer der Finca mich nicht gehen lassen wollten. Es waren herzensgute Menschen.

 

Aber ich machte mich dann zwei Tage später wieder auf den Rückweg zum Katamaran, der inzwischen fast voll war. Es fehlte nur noch der Kapitän.

Segeln um die Welt

Hurrikan und Planänderung

Unglücklicherweise befanden wir uns direkt in der Hurrikansaison, sodass der Kapitän entschied, nicht nach Panama zu segeln. Aber es gab einen Alternativplan – wir wollten nach Venezuela segeln, immer an der kolumbianischen Küste entlang.

 

Da wir alle keine Segelerfahrung hatten, übten wir ein paar gängige Manöver im Hafen und machten uns dann ein paar Tage später auf die Reise.

 

Zunächst gab es sehr wenig Wind und wir kamen nur langsam voran. In meiner ersten Nachtschicht, zusammen mit einer Französin, gab es nahezu null Wind, sodass uns die Strömung immer weiter aufs offene Meer hinaustrieb, wir aber keine Möglichkeit hatten, dagegen zu arbeiten. Schließlich hatten wir keinen Motor. Mit zwei großen, alten Holzpaddeln, versuchten wir den Katamaran zumindest wieder in die korrekte Richtung auszurichten.

 

Und da wir keine Toilette hatten, mussten wir kreativ werden – oft kam da eine Salatschüssel zum Einsatz, die genauso als Regenauffangbehälter, und zuletzt als Essschüssel vom Kapitän genutzt wurde. Natürlich hatte dieser zuvor nicht mitbekommen, für welche Zwecke der Multifunktionsgegenstand verwendet wurde.

 

Der einfachste Weg, so machte es ein italienischer Kapitän vor, war es, sich einfach über das Geländer zu hängen, wenn man einmal sein Geschäft verrichten musste. Das sah dann mal mehr, mal weniger elegant aus.

 

Mit der Essensplanung hatten wir uns anfangs total verschätzt, was dazu führte, dass es mit der Zeit nur noch Haferflocken mit Regenwasser gab. Irgendwann kann man dieses Zeug nicht mehr sehen, so viel steht fest. Aber es blieb uns nichts anderes übrig.

 

Als wir fast alle unter kollektiven Magenbeschwerden litten, wurde das Toilettenthema zum wahren Abenteuer. Jeder versuchte auf seine Art und Weise, das beste aus der Situation zu machen. Aber es gab einen guten Punkt, denn eine besetzte Toilette gab es nie – das Meer war groß genug.

 

Wir ankerten zwischendurch immer wieder in kleinen geheimnisvollen Buchten, die einerseits vom Meer, und von der anderen Seite vom dichten Regenwald eingeschlossen waren. Das dichte Grün sah schon fast unheimlich aus, aber wir, der Spanier und ein Französin in unserem Alter, beschlossen, ein Nacht dort draußen in unseren Hängematten zu schlafen.

 

Wieder ging es mit den Kajaks an Land. Diesmal mussten wir durch sehr trübes, fast braunes Wasser fahren, da durch den vielen Regen der ganze Schlamm ins Meer gespült wurde. Am feuchten Strand angekommen, suchten wir nach einem geeigneten Platz für unsere Hängematte. Die anderen konnten sich nun so richtig auf dem Katamaran ausbreiten, jetzt gab es ja genügend Platz. Ich war aber wirklich froh, mal wieder an Land zu sein und nicht auf dem schaukeligen Schiff.

 

Als hätten wir das Wetter bestellte, blieb der Regen in diese Nacht aus und bis auf ein paar seltsame Geräusche aus dem angrenzenden Dschungel, die uns hin und wieder wachhielten, hatten wir ein erholsame Nacht.

 

Ich hatte zwar erzählt, dass wir zu acht auf dem Katamaran wohnten, aber die Tiere an Bord, hatte ich noch gar nicht mitgezählt. Über das Deck liefen nämlich noch zwei Katzen und ein großer Hund. Die drei sorgten für ziemliche Unruhe an Bord, sodass uns die kleine Auszeit echt sehr gut tat.

 

Der Spanier und ich waren nämlich auch hervorragende Gastgeber für den Hund, der sich fast jede Nacht an unsere Fußenden legte. Dass es jedes Mal, wenn es regnete, genau an dieser Stelle hineintropfte, schien ihn aber nicht zu stören. Und wenn man ihn in Ruhe ließ, ließ er uns auch in Ruhe, denn sonst konnte er auch ziemlich ungemütlich werden und durchaus mal zuschnappen.

 

Die Tiere waren sowieso viel mehr mit sich und untereinander beschäftigt. Mal jagten sie sich über das gesamte Deck, und mal stritten sie sich um das Essen. Obwohl die Katzen hinterlistig und klein genug waren, um sich vor dem großen Hund zu verstecken, gewann er den Kampf um das Essen jedes Mal.

Segeln mit Katze

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt meiner zweijährigen Reise durch Mittel – und Südamerika, sowie anschließender Atlantiküberquerung mit dem Segelschiff von Panama nach Spanien.

 

Warum ich mein sicheres Leben gegen das Abenteuer, mein bequemes Bett gegen eine Hängematte getauscht habe und in den Regenwald gezogen bin, erfahrt ihr in meinem Buch „Vom Komfort ins Ungewisse“

 

Den Link zu meiner Webseite gibt’s hier: https://www.lasserusniok.de

Ich wünsche euch allen super spannende und erlebnisreiche Reisen! Eine Reise ist es immer wert.

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