Natur pur: Was in Deutschland noch von den Urwäldern übrig ist
Hört man das Wort „Urwald“, assoziiert man damit vermutlich erst einmal südamerikanische Tropenwälder oder sonstige exotische Gehölze. Dabei existieren Urwälder eigentlich in jeder Klimazone der Erde – nur bei uns in Europa findet man sie kaum noch. So gibt es auch in Deutschland leider keine echten Urwälder mehr, obwohl wir in unseren Natur- und Nationalparks einige letzte Relikte aus einer Zeit, als der Großteil Europas noch bewaldet war, bewahren. Aber wo findet man diese Überreste? Wo kann man hierzulande noch mit dem Wanderrucksack durch weitestgehend unberührte Wälder streifen?
Was ist eigentlich ein Urwald?
Zunächst eine Begriffserklärung: Sprechen wir von Urwäldern, ist damit nicht zwangsläufig ein tropischer Dschungel, sondern einfach ein Wald gemeint, der sich von Menschen unberührt entwickeln konnte und noch nie bewirtschaftet wurde. Diese Naturräume sind Rückzugsgebiete für viele Tier- und Pflanzenarten. In Europa gibt es kaum noch Wälder, die diese Anforderungen erfüllen.
Die letzte großflächige Urwaldwildnis der warmgemäßigten Klimazone Zentral-Europas liegt in den westlichen Südkarpaten Rumäniens. Ansonsten gibt es auch noch einige naturbelassene boreale Wälder in Ländern wie Russland oder Finnland. In Deutschland, einem der am dichtesten besiedelten Länder Europas, existieren richtige Urwälder schon lange nicht mehr. An einigen Orten kann man jedoch erahnen, wie sie einmal ausgesehen haben – die großen Urwälder Mitteleuropas.
Wie ein neuer Urwald entstehen könnte
Dass der Naturschutz hierzulande ernst genommen wird, zeigt sich zum Beispiel an der Rückkehr von Tieren wie dem Seeadler oder dem Wolf und dem Umstand, dass 2011 gleich fünf deutsche Buchenwaldgebiete in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen wurden:
- Grumsiner Forst in Brandenburg
- Nationalpark Kellerwald-Edersee in Hessen
- Nationalpark Jasmund
- Serrahner Buchenwald im Müritz-Nationalpark in Mecklenburg-Vorpommern
- Nationalpark Hainich in Thüringen
Letzterer ist besonders interessant, weil es sich um den größten ungenutzten deutschen Laubwald handelt. Hier wird die Natur also in Ruhe gelassen, damit wieder so etwas Ähnliches wie ein Urwald entstehen kann. Ansonsten findet man an verschiedenen Orten der Bundesrepublik den einen oder anderen „Überrest“ der einstmals vorherrschenden Urwälder.
Die schönsten „Urwald-Reste“ in Deutschland
Die Wälder des Elbsandsteingebirges, der Bayerische Wald oder die grünen Berge des Harzes sind Überreste riesiger Urwälder, die es bei uns einmal gegeben hat. Vor einigen Jahren wurde der Harz bei der sogenannten Naturwunder-Wahl mit etwa 21 Prozent aller Stimmen zum schönsten Wald der Bundesrepublik gewählt. Sanfte Hügel, Berge, Moore und Seen bilden zusammen mit den dichten Wäldern die Landschaft dieses einzigartigen Mittelgebirges. Kein Wunder also, dass der Harz auch zu einem der touristisch attraktivsten Regionen gehört. Lange Wandertouren in unberührter Natur kann man mit einem Urlaub im Harz verbinden. Einige Hotels haben sich spezialisiert und bieten Erholung in Sauna und Spa nach einem sportlichen anstrengenden Tag in mitten der Natur. Für Naturfreunde gibt es jedoch nach wie vor auch Campingplätze im Wald oder Hütten fernab der Zivilisation.
Knapp dahinter landete bei der Wahl das Lerautal bei Leuchtenberg, in der sich unter anderem die Wolfslohklamm im Osten von Michldorf befindet. Dieser Ort scheint einem Märchen entsprungen – überall bemooste Steine, Farne und dichter Laubwald. Weniger bekannt, aber trotzdem ziemlich interessant ist der Sachsenwald bei Hamburg: Er ist das letzte Überbleibsel eines Urwalds, der sich von der Ostsee bis nach Niedersachsen erstreckte. Das größte zusammenhängende Waldgebiet Schleswig Holsteins ist heute noch größtenteils in Besitz der Nachfahren Otto von Bismarcks, der den Wald 1871 als Geschenk von Kaiser Wilhelm I. erhielt.
Das Naturschutzgebiet und Naturwaldreservat Riesloch gehört ebenfalls zu den letzten Urwaltrelikten der Bundesrepublik und liegt im Nationalpark Bayerischer Wald. Mit diesem Gebiet sind zwei Besonderheiten verbunden: Zum einen konnte sich dort eine hohe Tier- und Pflanzenvielfalt erhalten, die es vor allem in den wirtschaftlich genutzten Wäldern schon lange nicht mehr gibt, und andererseits findet man dort auch die Rieslochfälle, die man über eine Wanderroute erreichen kann.
Wälder und Berge der Sächsischen Schweiz
Diesen Landstrich kann man ruhig einmal gesondert hervorheben. Mit dem Begriff Sächsische Schweiz wird der deutsche Teil des Elbsandsteingebirges in Sachsen an der Grenze zu Tschechien bezeichnet. Bei Naturfreunden und Fotografen ist dieses Mittelgebirge aufgrund seiner einzigartigen, aus dichten Wäldern herausragenden Felsformationen ausgesprochen beliebt. In Deutschland ist diese Landschaft absolut einzigartig. Die Entstehungsgeschichte begann irgendwann in der Kreidezeit, vermutlich vor etwa 140 bis 66 Millionen Jahren, als dieser Teil des heutigen Deutschlands noch unter einem flachen Binnenmeer lag.
Die Sandablagerungen auf dem Grund dieses Meeres verfestigten sich zu Sandstein und bildeten schlussendlich ein dickes Sediment, das im Laufe der Jahrtausende erodierte und dem Gebiet sein einzigartiges Gesicht verlieh. Als sich dann auch noch die Wälder bildeten, entstand eines der landschaftlich attraktivsten Wald- und Wandergebiete Deutschlands. Selbst Richard Wagner ließ sich durch die Landschaft des Elbsandsteingebirges zu seiner Oper Lohengrin inspirieren und Caspar David Friedrich malte hier einige seiner schönsten Bilder – allen voran „Der Wanderer über dem Nebelmeer“